Geschichte des Buddhismus
»Shakyamuni sagte auch voraus, daß im Späten Tag des Gesetzes ein Buddha ... erscheinen wird, der die richtige Lehre für dieses Zeitalter verbreiten wird.«
Geschichte des Buddhismus
Der Mensch, auf dessen Lehren alle Strömungen des Buddhismus zurückgehen, lebte rund 500 Jahre vor unserer Zeitrechnung im heutigen Indien. Er ist unter dem Namen Gautama Siddharta oder auch Shakyamuni (»der aus der Familie der Shakyas«) bekannt. Bewegt von den vier Grundleiden des Lebens - Geburt, hohes Alter, Krankheit und Tod - empfand er den Wunsch, dem Rätsel des
Lebens in seiner Tiefe nachzugehen. Er widmete sich den verschiedensten religiösen, meditativen und asketischen Ausübungen, bis er alle extremen Praktiken verwarf und die Wahrheit im »Weg der Mitte« erkannte. Nach zwölfjähriger Wanderschaft erlangte er schließlich die Erleuchtung, als er meditierend unter einem Feigenbaum in Gaya saß.
Danach begab sich Shakyamuni wieder auf die Reise durch Indien und verbrachte noch fünfzig Jahre damit, seine Botschaft zu verbreiten. Den Umständen und dem Verständnis der Menschen entsprechend verkündete er verschiedene Lehren. Die so entstandenen Lehren wurden von seinen Schülern mündlich weitergegeben. Sie wurden nach dem Tod Shakyamunis in mehreren Konzilien zusammengestellt und in Sammelschriften, sogenannten Sutras, niedergeschrieben. Aus den verschiedenen Sutras sind später verschiedene Schulen hervorgegangen, da jede Schule sich auf bestimmte Sutras als Hauptquelle berief. Trotz der Vielzahl der Schulen lassen sich zwei große Richtungen des Buddhismus unterscheiden, die als Theravada (»Weg der Alten«) oder Hinayana (»kleines Fahrzeug«) bzw. Mahayana (»großes Fahrzeug«) bezeichnet werden. Während der Theravada-Buddhismus vorwiegend in Ländern Südasiens Fuß faßte, breitete sich der Mahayana-Buddhismus in den nördlicher gelegenen Ländern wie China und Japan aus.
Der Theravada-Buddhismus betont das Aufgehen im Nirwana (»Auslöschen«) als Ziel einer meist sehr strengen, über viele Leben dauernden Ausübung. Erst wenn alle Wünsche und Bedürfnisse - jeglicher Lebensdurst - erloschen sind, kann ein Mensch aus dem Kreislauf der Wiedergeburten ausbrechen, das Nirwana erreichen und sich damit für immer vom Leiden erlösen. Der Mahayana-Buddhismus hingegen stellt das Ideal des Bodhisattwas in den Mittelpunkt, der sich voller Mitgefühl allen Lebewesen seiner Umgebung widmet. Erleuchtung bedeutet in den Mahayana-Schulen nicht das Verneinen des Lebens und der damit verbundenen Leiden, sondern im Gegenteil das Eintauchen in die Tiefe und Weisheit des eigenen Lebens und die allem Leben innewohnende Buddhanatur.
Innerhalb der Mahayana-Tradition nimmt die Lehre des Lotos-Sutras eine besondere Stellung ein. Der chinesische Gelehrte T'ien-t'ai sah hier die Essenz der Lehre Shakyamunis niedergelegt, die dieser in den acht Jahren vor seinem Tod verkündete. Im Lotos-Sutra beschreibt Shakyamuni in sehr poetischen Bildern den Kern seiner Erleuchtung. jeder Mensch - wie auch jedes Phänomen des Universums - besitzt das Potential zur Erleuchtung, ist potentiell selbst Buddha und kann in diesem Leben zu seiner inneren Wahrheit und Erleuchtung erwachen. jeder Mensch ist potentiell erleuchtet und ein Buddha. Das war und ist eine revolutionäre Aussage.
Im Daishutsu-Sutra prophezeite Shakyamuni die zukünftige Entwicklung des Buddhismus über drei Phasen - den Frühen, Mittleren und Späten Tag des Gesetzes. Im Frühen Tag des Gesetzes, der mit seinem Tod begann und tausend Jahre anhielt, konnten viele Menschen direkt die Erleuchtung erlangen. Der Mittlere Tag des Gesetzes war durch die Errichtung von Tempeln und Stupas geprägt. Der Buddhismus durchlief eine Phase der Formalisierung und Ritualisierung und war den Menschen nicht mehr ohne weiteres zugänglich. Folglich war die Kraft der Lehre nur noch denen vorbehalten, die genügend Zeit für die aufwendigen Ausübungen aufbringen konnten. Im Späten Tag des Gesetzes - der heutigen Zeit - ist schließlich der Grundgedanke des Buddhismus soweit verloren gegangen, daß er den allgegenwärtigen Problemen nicht mehr adäquat begegnen kann.
Aber Shakyamuni sagte auch voraus, daß im Späten Tag des Gesetzes ein Buddha - der Ausübende des Lotos-Sutras - erscheinen wird, der die richtige Lehre für dieses Zeitalter verbreiten wird. Dieser Buddha wird auf Ablehnung und Feindseligkeit stoßen, doch durch seine Lehre werden die Menschen ihre eigene Buddhaschaft verwirklichen können.